Gleichwürdigkeit aller Menschen – gesellschaftlich und (sozial-)medizinisch

Gleichwürdigkeit aller Menschen – gesellschaftlich und (sozial-)medizinisch

Dr. Wolfgang Wagener berichtet über den Vortrag von Prof. Gerhard Trabert zum Thema „Gesundheit(sfürsorge) ist ein Menschenrecht mit Blick auf Veränderungen durch die Corona-Pandemie seit März 2020“.

Zum Abschluß des Düsseldorfer Kurszyklus Sozialmedizin 2020/21 der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein in Kooperation mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland (corona-bedingt – erstmalig als reine live-online-Weiterbildung für Fachärzte) referierte Allgemein- und Notfallmediziner Prof. Dr. med. Dipl.-Soz.Päd. Gerhard Trabert zu „Gesundheit(sfürsorge) ist ein Menschenrecht mit Blick auf Veränderungen durch die Corona-Pandemie seit März 2020“.


Seit über 30 Jahren setzt sich Trabert bei (Natur-)Katastrophen für ärztliche und menschliche Hilfe ein. Er arbeitet jedes Jahr in Flüchtlingslagern und leistet medizinische Versorgung von Obdachlosen. Als erster Arzt der Bundesrepublik bekam Trabert eine Kassenzulassung für eine mobile Praxis in Mainz. Inzwischen gibt es in Mainz auch eine Medizinische Ambulanz ohne Grenzen, die Trabert mit KollegInnen betreut.


Prof. Dr. Trabert wies auf die in Politik und Gesellschaft kaum wahrgenommenen Folgen der Corona-Maßnahmen gerade für arme Alte – überwiegend Frauen! – und Wohnungslose hin. Weggefallene Angebote der Tafeln bedrohen die Versorgung mit Lebensmitteln und so manche Existenz. Langfristig geschlossene öffentliche Räume und Gaststätten verringern die Anzahl zugänglicher Toiletten und Sanitärräume für Wohnungslose. Die Maskenpflicht – ohne ab Beginn von Trabert geforderte kostenlose Ausgabe von Masken! – habe Wohnungslose weiter ins gesellschaftliche Abseits gestellt.


Lange bekannt und immer wieder bestätigt ist, dass Armut krank macht und Krankheit arm. Beides bedingt sich gegenseitig und trifft Menschen, die nicht über angemessene Bildung, Lebensverhältnisse oder ausreichendes Einkommen verfügen. Prävention davor, Hilfen dagegen und sozialen Ausgleich will unser Sozialsystem leisten. Das deutsche Sozialgesetzbuch gliedert sich in 13 Bereiche. Die zur Teilhabe jedes Menschen existenziellen Sozialrechte lernen Fachärztinnen und Fachärzte in der Weiterbildung Sozialmedizin.


Für (psychisch) Kranke oder mehrfach angeschlagene Menschen kommen diese Hilfen häufig nicht zum Tra-gen oder reichen nicht aus. Vielfach ist Betroffenen nicht bekannt, dass oder wie sie Ansprüche geltend machen können. Dass Ärzte dann weiterhelfen können, lehrt sie die Weiterbildung Sozialmedizin. In unserer demokratischen, multikulturellen, diversen und älter werdenden Gesellschaft, genügt vielfach einfaches (Wund-)Heilen nicht mehr. Teilhabe nach Akuterkrankung muss ärztlich im Blick sein! Wegen DRG-bedingt kurzer Liegezeiten sind früh Wege aufzuzeigen und Weichen zu stellen, um Teilhabe und (Wieder-) Eingliederung zu ermöglichen. Gleiches bei chronischen Erkrankungen. „Gleichwürdigkeit“ aller Menschen will Tra-bert umgesetzt sehen, nicht allein in medizinischer Versorgung.

Medizinische Hilfe, die er mit dem Verein Armut und Gesundheit spendenfinanziert leistet, sei unabdingbare Soforthilfe. Auch ein an Krebs erkrankter Wohnungsloser brauche Therapie und könne nicht vertröstet werden, bis er in die Zuständigkeiten unseres gegliederten Gesundheitssystems integriert werde. Systemparallel laufende Armenmedizin sei unärztlich, diskriminierend und achte die Gleichwürdigkeit der Individuen nicht. Ärztlich-ganzheitlich denkend will Trabert die Strukturen ändern, die Menschen arm machen und an den Rand drängen. Selten sei Armut persönliche Schuld. Jene resultiere meist aus ungerecht verteilten Chancen, Ressourcen und Zugangswegen. Daher engagiert sich Trabert jetzt auch politisch. Dies sollten Ärzte – speziell solche mit sozialmedizinischem Blick – in viel größerer Zahl! Bei der Bundestagswahl kandidiert Trabert als Parteiloser in Mainz. Sein Ziel: Eine „Schulterschlußgesellschaft“ formulierte er 2015, „nicht eine, in der jeder gegen jeden die Ellenbogen ausfährt.“


2019/20 erhielt Trabert die Salomon-Neumann-Medaille der DGSMP, 2014 als jüngster Preisträger die höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft, die Paracelsus-Medaille.


Autor: Dr. med. Wolfgang Wagener, Düsseldorf


Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e. V., Spendenkonto-IBAN: DE24 5519 0000 0001 9190 18

gepostet von DGSMP veröffentlicht am 26. Juli 2021