Kodex für Forschung im Gesundheitswesen
Gute Praxis der Forschung mit Mitteln Dritter im Gesundheitswesen (GPFMD)
in Gesundheitswesen 2006; 68: 796, DOI: 10.1055/s-2006-927334;
- Forschung mit Mitteln Dritter ist ein legitimer Teil der Forschung an Hochschulen und Aufgabe einer wachsenden Gruppe von Forschern außerhalb der Hochschulen. Im Gesundheitswesen sind Auftraggeber und Förderer dieser Forschung öffentlich-rechtliche Institutionen (wie Ministerien, Krankenkassen), private Unternehmen (wie Pharma-Industrie, Krankenhausträger), Verbände oder Stiftungen.
- Hochschulen und ihre Mitglieder sind in der Wahl ihrer Forschungsinhalte und -methoden frei. Sie sind dem Streben nach Wahrheit und dem öffentlichen Wohl verpflichtet. Forschung im Gesundheitswesen muss darüber hinaus der Gesundheit dienen. Der Erhalt von Unabhängigkeit und Integrität der Wissenschaft wird Hochschulen und ihre Mitglieder auch dann leiten, wenn sie Forschung mit Mitteln Dritter unternehmen.
- Forschung mit Mitteln Dritter ist keine Forschung zweiter Klasse. Für sie gelten Vorschriften, Standards und Kritik wie für wissenschaftsgetriebene Studien.
- Forschung mit Mitteln Dritter im Gesundheitswesen teilt mit anderen Forschungsfeldern die Notwendigkeit, die Rechte und Pflichten von Auftraggeber und Auftragnehmer vertraglich und ex ante zu regeln, vor allem im Hinblick auf die unabhängige Wahrnehmung der wissenschaftlichen Verantwortung von der Planung des Vorhabens an, auf die Darstellung, Veröffentlichung und sonstige Nutzung der wissenschaftlichen Ergebnisse und auf den Ausgleich wirtschaftlicher oder anderer Interessen.
- Insbesondere ist sicherzustellen, dass (a) Ziele und Methoden der Forschung wissenschaftlich begründet sind, (b) die Interpretation der Ergebnisse in die Zuständigkeit (wissenschaftliche Autonomie) des Forschers/der Forscherin fällt, (c) etwaige Zustimmungsrechte des Auftraggebers nicht an die Ergebnisse der Forschung oder an Inhalte von Veröffentlichungen gebunden sind, (d) Leistungen und Gegenleistungen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
- Oberstes Prinzip für die Gestaltung von Forschungsbeziehungen und die Durchführung von Forschung ist Transparenz des Vorhabens von der Forschungsplanung bis zur Publikation der Ergebnisse. Drittmittelrichtlinien ihrer Hochschulen müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im eigenen Interesse einhalten. Forschungsvorhaben sind öffentlich darzulegen, sobald sie begonnen wurden. Die Forschungsergebnisse sollen in der Regel in angemessener Zeit veröffentlicht werden. Die Finanzierungsquellen sind zu nennen.
- Transparenz und Dokumentation sind nicht nur Grundlage wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit jedes Forschungsvorhabens, sondern auch die besten Sicherungen gegen Abhängigkeit der Wissenschaft. Forscherinnen und Forscher sollen sich im Umgang mit unvermeidbaren Interessenkonflikten kollegial beraten lassen, z.B. durch die zuständige Ethikkommission und ihre Fachgesellschaft. Bei unlösbaren Interessenkonflikten, Zweifeln an der Unabhängigkeit der Forschung und/oder Anzeichen für ein unausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist es besser, auf die Durchführung eines Forschungsvorhabens zu verzichten. Letztlich aber ist die Forschung frei, d.h. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind für ihre Reputation selbst verantwortlich.
- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerhalb der Hochschulen, z.B. in privaten Forschungseinrichtungen oder in Forschungsabteilungen der Industrie oder von Verbänden, haben andere Rahmenbedingungen als die Hochschulforschung. Die Qualität ihrer Forschungsbeiträge wird aber nicht nach anderen Kriterien beurteilt. Ihre Forschungen müssen daher ebenfalls transparent begründet und dargestellt sein, Interessenbindungen müssen dargelegt werden.
Erstunterzeichner dieses Kodex sind die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie und die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (2006). Andere Fachgesellschaften sind aufgerufen, sich diesem Kodex anzuschließen.
gepostet von DGSMP veröffentlicht im Dezember 2006